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Transgender symbol and gender symbol of man and woman on a gray background.
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Gendermedizin: Welche Rolle das Geschlecht bei Lungenerkrankungen spielt

Lange waren Frauen in der medizinischen Forschung unterrepräsentiert. Die Folgen: Falsche und fehlende Diagnosen sowie unpassende Therapien. In den letzten Jahren hat sich jedoch vieles im Bereich der geschlechtersensiblen Medizin getan. Auch bei einigen Lungenerkrankungen weiß man mittlerweile mehr über den Einfluss des Geschlechts – davon profitieren nicht nur Frauen.

Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. med. Franziska Christina Trudzinski, Thoraxklinik Heidelberg

Lange waren Frauen in der medizinischen Forschung unterrepräsentiert. Die Folgen: Falsche und fehlende Diagnosen sowie unpassende Therapien. In den letzten Jahren hat sich jedoch vieles im Bereich der geschlechtersensiblen Medizin getan. Auch bei einigen Lungenerkrankungen weiß man mittlerweile mehr über den Einfluss des Geschlechts – davon profitieren nicht nur Frauen.

Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. med. Franziska Christina Trudzinski, Thoraxklinik Heidelberg

Gender und Geschlecht: Was sind die Unterschiede?

Der deutsche Begriff „Geschlecht“ bezieht sich üblicherweise auf die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen, insbesondere auf die physischen Merkmale wie Chromosomen, Fortpflanzungsorgane und Hormone.

Das Geschlecht kann jedoch auch als gesellschaftliche Rolle oder Zuschreibung betrachtet werden, die kulturelle, soziale und psychologische Aspekte umfasst und über die rein biologischen Unterschiede hinausgeht. Für diese soziale Konstruktion von Geschlecht hat man den englischen Begriff „Gender“ übernommen.

Teile der Gesellschaft und der Wissenschaft haben sich davon entfernt, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Gender wird mehr und mehr als Spektrum gesehen – das heißt als Vielfalt von Geschlechtsidentitäten abseits der traditionellen Kategorien von männlich und weiblich.

Was ist Gendermedizin?

Im Gegensatz zur geläufigen Definition von „Gender“ nimmt die Gendermedizin sowohl das biologische als auch das sozial konstruierte Geschlecht in den Blick. Ein weiterer Begriff für Gendermedizin ist „geschlechtersensible Medizin”.

Die Gendermedizin ist historisch gewachsen: Weibliche Teilnehmerinnen waren in klinischen Studien zur Erprobung neuer Therapien im 20. Jahrhundert oftmals nicht oder unzureichend vertreten. Diese Ungleichverteilung und die damit verbundenen Folgen begründeten in den 1980er Jahren die Gendermedizin.

Heute geht die Gendermedizin über den Kampf um Gleichberechtigung in klinischen Studien hinaus. Die Gendermedizin setzt sich damit auseinander, wie sich

  • körperliche und biologische Funktionen,
  • Krankheitsmechanismen,
  • Verbreitung, Erleben, Verläufe und Symptome von Krankheiten sowie
  • das Ansprechen auf Behandlungen

bei Männern und Frauen unterscheiden.

Zudem nimmt die Gendermedizin Unterschiede der folgenden Einflüsse auf Gesundheit und Krankheit in den Blick:

  • Lebensstil (zum Beispiel Rauchen, Alkoholkonsum und Bewegung),
  • soziale und wirtschaftliche Faktoren (zum Beispiel Bildung, Wohnverhältnisse und Einkommen)
  • Inanspruchnahme von Gesundheitsversorgung sowie
  • Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitssystem

Hintergrund

Die Begründung der Gendermedizin liegt vor allem in der historisch fehlenden geschlechtlichen und ethnischen Vielfalt in klinischen Studien. Traditionell wurden klinische Studien in überwiegend westlichen Ländern durchgeführt, wobei hauptsächlich weiße Männer teilnahmen. Einen „Überhang“ an Männern gab es insbesondere bei klinischen Studien der Phase I, in denen erste Hinweise auf die Wirksamkeit und die Verträglichkeit untersucht werden. Der Grund: Frauen im gebärfähigen Alter wurde nach dem Contergan-Skandal in den 1960er Jahren von der Teilnahme an Studien dieser Phase abgeraten, um mögliche Risiken in Verbindung mit einer Schwangerschaft zu vermeiden.

Analyse zeigt Ungleichgewicht

Eine Analyse der in den 1980er und 1990er Jahren eingereichten Zulassungsanträge für neue Medikamente bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde zeigte, dass Frauen in einigen Studien unterrepräsentiert waren. Der Schwerpunkt lag dabei auf Studien in späteren Stadien – das heißt der Phase II- und III-Studien. Mögliche Folgen: fehlendes Wissen über bestimmte Aspekte der Wirksamkeit und der Nebenwirkungen bei Frauen.

Verbesserungen in der Geschlechterverteilung

Mittlerweile hat sich jedoch einiges in Bezug auf die Geschlechterverteilung in Studien geändert. Neue Zusammenfassungen kommen zu dem Ergebnis, dass der „Gender Gap“ – also die Ungleichverteilung der Geschlechter in klinischen Studien der Phase II und III – mittlerweile behoben ist. Nur in Phase I-Studien sind Frauen den Analysen zufolge nach wie vor unterpräsentiert.

Wie kann man gesundheitliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern erklären?

Warum Männer und Frauen unterschiedlich anfällig gegenüber bestimmten Erkrankungen sind, sich in Symptomen oder im Krankheitsverlauf unterscheiden und auf bestimmte Therapien unterschiedlich ansprechen, hat mehrere Ursachen, die sich gegenseitig beeinflussen.

Die Ursachen bestehen vor allem in körperlichen Voraussetzungen sowie in hormonell und genetisch bedingten Faktoren, aber auch in den Lebensumständen im privaten und beruflichen Alltag. Frauen erfahren intensivere körperliche und emotionale Veränderungen, die mit den verschiedenen Lebensphasen einhergehen, angefangen von der Pubertät über die Menopause bis hin zur Postmenopause sowie möglicherweise Schwangerschaften.

Unterschiede in Verhalten und Lebensstil wirken sich aus

Zudem unterscheiden sich Frauen und Männer in ihrem Risikoverhalten, ihren Erfahrungen mit dem medizinischen Versorgungssystem und ihrer Therapietreue.

Betrachtet man den Lebensstil, treiben Frauen im Vergleich zu Männern zwar weniger Sport, sie ernähren sich jedoch gesünder und rauchen weniger. Männer konsumieren durchschnittlich fast doppelt so viel Alkohol am Tag wie Frauen und alkoholbezogene Erkrankungen kommen bei Männern öfter vor. Vier von fünf Teilnehmenden an Präventionskursen sind Frauen.

Lungenkrankheiten: Wo die Unterschiede zwischen Frauen und Männern liegen

Wenn man Lungenkrankheiten im Kontext des Geschlechts betrachtet, werden Geschlechtsunterschiede vor allem in der Häufigkeit und im Verlauf der jeweiligen Erkrankung deutlich:

Asthma: Erkrankungsrisiko abhängig von Geschlecht und Lebensabschnitt

Frauen sind häufiger und schwerer von Asthma bronchiale betroffen als Männer. Dagegen erkranken in der Kindheit Jungen häufiger als Mädchen an Asthma. Offenbar schützt das Geschlechtshormon Testosteron Männer vor allergischem Asthma, indem es die Bildung bestimmter Immunzellen unterdrückt.

Aus der Forschung weiß man, dass verschiedene Immunzellen (wie Lymphozyten, Monozyten und Mastzellen sowie eosinophile und basophile Granulozyten) auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für Geschlechtshormone ausbilden. Dies bedeutet, dass die Zellen auf Hormone reagieren können, wenn diese sich an die Rezeptoren binden.

Geschlechtshormone beeinflussen Asthma- und Allergie-Risiko

Frauen haben nicht nur weniger Testosteron als Männer. Möglicherweise sorgt auch das weibliche Geschlechtshormon Östrogen dafür, dass Mädchen ab der Pubertät und erwachsene Frauen anfälliger für Asthma und Allergien werden:

  • Östrogen scheint die Empfindlichkeit von Entzündungszellen wie Mastzellen gegenüber Allergenen zu erhöhen.
  • Außerdem besteht die Vermutung, dass Östrogene die Bronchien tendenziell empfindlicher machen, während Testosteron sie weniger empfindlich macht.

Frühe Kindheit: Anatomische Unterschiede von Bedeutung

Bei der Entstehung von Asthma bronchiale in der frühen Kindheit könnten geschlechtsbedingte anatomische Unterschiede bei der Entwicklung der Lungen und Atemwege von Bedeutung sein. So haben Jungen im Wachstum kleinere Atemwege im Verhältnis zur Lungengröße als Mädchen. Dies kann die Entstehung von Asthma und dessen Vorstufen begünstigen.

Mehr zu Asthma-Ursachen

COPD: Eine typisch männliche Lungenkrankheit?

Bei Frauen wird COPD häufiger übersehen. Der Grund: Der Stereotyp eines COPD-Betroffenen ist seit jeher das eines älteren, rauchenden Mannes. Ein Beleg dieses Stereotyps ist die weit verbreitete Verwendung der Fletcher-Peto-Kurve, die die Verschlechterung des forcierten Ausatmungsvolumens (FEV1) anzeigt. Diese Kurve wurde auf Grundlage von Studien mit ausschließlich männlichen Teilnehmern entwickelt.

Gänzlich unbegründet ist der Stereotyp allerdings nicht: Dass Männer häufiger eine COPD entwickeln, spiegelt den stärkeren Zigarettenkonsum von Männern in den westlichen Ländern zu Beginn des 20. Jahrhunderts wider. Mittlerweile rauchen Frauen jedoch fast gleich oft und die Erkrankung kommt dementsprechend bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig vor.

Frauen haben andere COPD-Symptome als Männer

Frauen zeigen bei COPD häufiger

  • Müdigkeit,
  • Erschöpfung und
  • psychische Symptome wie Angst und Panik.

Zudem haben Frauen insgesamt mehr und schwerwiegendere COPD-Symptome wie Husten, Luftnot und eine schlechtere Lungenfunktion. Ein Lungenemphysem hingegen findet sich öfter bei Männern.  

Warum Frauen schwerere COPD-Verläufe haben

Die weibliche Lunge reagiert auf Zigaretten-Rauch tendenziell empfindlicher. Frauen erkranken durch Rauchen durchschnittlicher früher an COPD – auch wenn sie weniger Zigaretten pro Tag rauchen als Männer.

Die Gründe dafür liegen unter anderen im Aufbau der Lunge von Frauen: Die Wände der Atemwege sind dünner und auch der Durchmesser der Atemwege ist enger. Da die Oberfläche für die Ablagerung der Schadstoffe kleiner ist, sammeln sich diese dort konzentrierter an. Luftschadstoffe könnten für Frauen noch schädlicher sein als für Männer. Einige Studien zeigen, dass bis zu zwei Drittel der COPD-Fälle bei Nichtraucher:innen auf Frauen entfallen.

Die kleinere Lunge kann zudem die Beschwerden bei COPD verstärken.

Auch bei COPD spielen Geschlechtshormone eine Rolle

Wie bei Asthma gibt es auch bei COPD Hinweise, dass Geschlechtshormone eine Rolle bei der Krankheitsentstehung und im Krankheitsverlauf spielen könnten. Sexualhormone beeinflussen viele Zell-Prozesse im Körper. Darunter auch Vorgänge im Epithel der Bronchien und der Lungenbläschen sowie in der glatten Muskulatur der Atemwege. Bei COPD lässt sich eine Veränderung der glatten Muskulatur der Atemwege beobachten. Zell-Studien deuten darauf hin, dass Östrogene die Funktion dieser Muskulatur und für die Krankheit charakteristische Umbauprozesse in der Lunge beeinflussen könnten.

Ausführliche Informationen zu COPD

Mukoviszidose: Fördern weibliche Geschlechtshormone Infektionen?

Infektionen mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa kommen bei Mukoviszidose-Betroffenen häufig vor. Erste Studien deuten darauf hin, dass Frauen durchschnittlich früher im Leben an einer Infektion mit Pseudomonas aeruginosa erkranken und häufiger eine aggressive Form auftritt.

Dabei scheint das Hormon Östradiol, das wichtigste weibliche Geschlechtshormon aus der Gruppe der Östrogene, eine Rolle zu spielen. Östradiol beeinflusst den Transport von Chlorid in die Zellen. Dies kann dazu führen, dass weniger Flüssigkeit auf der Atemwegsoberfläche vorhanden ist. Zudem regt es die Schleimproduktion an.

Experimente zeigten auch, dass verschiedene Stämme des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa, die aus Proben von Menschen mit Mukoviszidosegewonnen wurden, ein verstärktes Biofilmwachstum zeigen, wenn Östradiol zugegeben wird. Durch die Bildung eines sogenannten Biofilms, mit dem sich der Keim umgibt, schützen sich die Bakterien vor Einflüssen von außen, zum Beispiel vor Antibiotika.

Ausführliche Informationen zu Mukoviszidose

Interstitielle Lungenerkrankungen – typisch männliche Lungenerkrankungen?

Unter interstitiellen Lungenerkrankungen versteht man eine Gruppe verschiedener Krankheitsbilder, die das Zwischengewebe der Lunge, das sogenannte Interstitium, und die Lungenbläschen betreffen.

Zu den interstitiellen Lungenerkrankungen gehört unter anderem die idiopathische Lungenfibrose (IPF). Die genauen Ursachen und Krankheitsmechanismen der idiopathischen Lungenfibrose sind nicht bekannt. Männer sind jedoch zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Frauen.

Erbliche Faktoren scheinen bei der IPF eine Rolle zu spielen. Bei Frauen ist die Wahrscheinlichkeit, an IPF zu erkranken, geringer, selbst wenn die gleichen Mutationen im Erbgut vorliegen wie bei Männern. Sie haben zudem eine bessere Überlebensrate, wenn sie die Krankheit entwickeln.

Es wird vermutet, dass weibliche Geschlechtshormone (Östrogene) vor der Lungenfibrose schützen können, während männliche Geschlechtshormone (Androgene) schädlich sind. Diese Schutzwirkung steht im Gegensatz zu den teils negativen Auswirkungen der weiblichen Sexualhormone auf den Krankheitsverlauf bei Asthma, COPD und Mukoviszidose.

Fördern typisch „männliche Berufe” interstitielle Lungenkrankheiten?

Einige interstitielle Lungenerkrankungen werden direkt durch berufliche Auslöser verursacht, zum Beispiel die Silikose und die Asbestose. Auch die idiopathische Lungenfibrose steht in Zusammengang mit bestimmten berufsbedingten Einflüssen.

In der Industrie sind Männer häufiger dem Risiko ausgesetzt, mit Silikat, Asbest und anderen potenziell schädlichen Dämpfen, Gasen und Stäuben in Kontakt zu kommen. Die Folge: In der Vergangenheit konzentrierte sich die Forschung zu beruflich bedingten Lungenerkrankungen daher ausschließlich auf Männer. Diese Einseitigkeit führte jedoch zu Verzerrungen bei der Risikobewertung für Frauen an bestimmten Arbeitsplätzen und zu Verzögerungen bei deren Diagnose.

Seltene Lungenerkrankungen: Vorkommen nur bei Frauen

Von zwei seltenen Lungenerkrankungen sind (fast) nur Frauen betroffen:

  • Bei der Lymphangioleiomyomatose (LAM) spielt insbesondere das weibliche Geschlechtshormon Östrogen eine Rolle. Durch einen Genfehler entstehen krankhaft veränderte Muskelzellen in verschiedenen Geweben. Vor allem die Lunge ist davon betroffen. Diese veränderten Zellen tragen an ihrer Oberfläche Bindestellen (Rezeptoren) für Östrogen. Vermutet wird, dass die Bindung des Hormons Wachstumsreize vermittelt, wodurch die Krankheit in Gang gesetzt wird. Sehr selten können auch Männer von einer LAM betroffen sein.
  • Auch der katameniale Pneumothorax, eine Sonderform des Spontanpneumothorax wird ausschließlich bei jungen Frauen beobachtet. Die genaue Ursache ist noch nicht bekannt. Es wird vermutet, dass versprengte Gebärmutterschleimhaut (Endometriose) auf der Lunge oder dem Zwerchfell Gewebedefekte verursachen könnte, welche wiederum zu einem katamenialen Pneumothorax führen.

Lungengesundheit von trans*Personen

Zur Lungengesundheit von Personen, die sich einer Geschlechtsangleichung unterziehen oder unterzogen haben, gibt es bisher wenig Erkenntnisse aus der Forschung. So ist zum Beispiel kaum bekannt, wie sich Hormon-Behandlungen auf das Risiko bestimmter (Lungen-)Erkrankungen auswirken.

Erste Studien deuten darauf hin, dass trans*Personen, die sich einer Geschlechtsangleichung unterzogen haben, ein höheres Risiko haben, an Lungenkrebs zu erkranken und daran zu versterben als cis* Personen. Für das erhöhte Lungenkrebs-Risiko ist jedoch nicht die Hormonbehandlung verantwortlich. Vielmehr müssen Lebensstilfaktoren wie ein hoher Raucher:innen-Anteil und Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) verstärkt berücksichtigt werden.

Diskriminierungserfahrungen von trans*Personen im Gesundheitswesen

Hinzu kommen Diskriminierungserfahrungen, die trans*Personen im Gesundheitssystem machen und sie davon abhalten könnten, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dadurch können Erkrankungen längere Zeit unentdeckt bleiben.

Eine ethische Herausforderung in der Diagnose von Lungenerkrankungen bei trans*Personen ist die Verwendung eines anderen Geschlechts als das Geburtsgeschlecht. Dies kann zum Beispiel bei der Interpretation von Lungenfunktionswerten eine Rolle spielen. Ein schmaler Grat für Mediziner:innen, das Recht der Patient:innen auf Geschlechtsidentität nicht zu verletzen und gleichzeitig medizinische Genauigkeit zu wahren.

Gendermedizin: Auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Gesundheitsversorgung

Die Erforschung von Geschlechtsunterschieden bei Lungenerkrankungen haben für einzelne Betroffene bislang eher wenig praktische Konsequenzen. Dennoch können die Forschungsergebnisse aus der Gendermedizin dazu dienen, medizinisches Fachpersonal in Hinblick auf die spezifischen Geschlechtsunterschiede zu den Symptomen und der Anfälligkeit gegenüber bestimmten Lungenerkrankungen zu sensibilisieren.

Von geschlechtergerechter Medizin können alle profitieren

Forschungsergebnisse aus der Gendermedizin liefern Grundlagen für eine personalisierte Medizin. Die personalisierte Medizin kann es künftig ermöglichen, Vorbeugung, Diagnosemethoden und die Behandlung von Lungenerkrankungen besser an dem einzelnen Menschen auszurichten.

Die Einbeziehung der Gendermedizin in die Entwicklung und Zulassung neuer Medikamente kann das Verständnis über deren geschlechtsspezifische Wirksamkeit erweitern und gleichzeitig das Risiko von Nebenwirkungen reduzieren. Damit können alle Geschlechter von einer verbesserten Versorgung profitieren.

Quellen

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Letzte Aktualisierung: 01.08.2024